St. Marienthal und die Hussiten

600 Jahre nach der Verurteilung und Hinrichtung des böhmischen Reformators Jan Hus auf dem Konzil von Konstanz am 6. Juli 1415 erinnert sich auch die Abtei St. Marienthal im ehemals böhmischen Teil des heutigen Sachsen an die folgenschweren Ereignisse.

Da unter den Konzilstheologen angesehene Zisterzienseräbte waren, die an der Verurteilung mitgewirkt hatten, und der Kaiser seine ursprüngliche Zusage für freies Geleit für Jan Hus nicht eingehalten hatte, richtete sich die Wut der Hussiten vor allem gegen Adel und Klöster, und sie fügten ihnen vernichtenden Schaden zu. In St. Marienthal hat der berühmte Barockmaler Franz Xaver Karl Palko auf dem Deckengemälde der Bibliothek (1752) die Legende von der Flucht der Äbtissin Agnes von Gersdorf vor den Hussiten dargestellt (s. Foto): Im Schutz und durch Intervention der Muttergottes konnte die Äbtissin als letzte der Schwestern aus dem brennenden Kloster fliehen und an einem symbolischen Säulendenkmal mit der Aufschrift „Dei Religioni Regique semper fidele“ – „Gott, der Religion und dem König ewig treu“  ihre Verfolger abwehren. Ein knurrendes kleines Hündchen, wie es oft auf Darstellungen des hl. Bernhard zu sehen ist, lässt die Horde anhalten und zurückweichen. In Tschechien wird Jan Hus als Reformer, Befreier und nationaler Held verehrt. Der Prager Kardinal Miroslav Vlk  hat 1996 von der katholischen Kirche seine Rehabilitierung verlangt. Papst Johannes Paul II. hat 1999 in Rom auf einem Historikerkongress zwar sein Bedauern über den grausamen Tod von Jan Hus und die daraus entstandenen Konflikte und Spaltungen im böhmischen Volk ausgedrückt, die Rehabilitierung ist aber wegen der Lehren und Agitationen nicht erfolgt.